Ermittlung des jährlichen Fortbildungsbedarfes in integrierten Leitstellen und des Bedarfes an Praxisanleitern

Vorwort:

Die Arbeitsgruppe Personal beschäftigt sich auf der Grundlage der Empfehlung „Praxisanleiter in Leitstellen“ mit der Ermittlung eines Personalbedarfes für die qualifizierte und organisierte Fortbildung von Leitstellenpersonal. Bisher sind der Umfang, sowie die Themen der Fortbildung für das Leitstellenpersonal bei den einzelnen Leitstellenbetreibern sehr unterschiedlich geregelt.
Alle Träger oder Betreiber von Leitstellen sind jedoch gesetzlich verpflichtet, für eine regelmäßige angemessene Fortbildung des Personals zu sorgen. Leider sind die inhaltlichen und zeitlichen Ansätze derzeit nicht bundeseinheitlich in den spezifischen Landesgesetzen oder Verordnungen für Feuerwehr, Rettungsdienst und Katastrophenschutz geregelt. Wenn überhaupt vorhanden, sind die Anforderungen nur sehr allgemein gehalten und konkrete Anforderungen fehlen.

Zielsetzung:

Die berufliche Fortbildung soll es ermöglichen, die berufliche Handlungsfähigkeit zu erhalten und anzupassen oder zu erweitern und beruflich aufzusteigen.(1) Die tägliche Arbeit in einer Leitstelle ist in den unterschiedlichen Einsatzlagen von einem hohem Entscheidungsdruck und einer hoher Entscheidungsdichte geprägt. Das Auftreten von kritischen und komplexen Situationen im feuerwehrtaktischen, medizinischen und technischen Bereich ist systemimmanent. Daher müssen die Inhalte sowie der zeitliche Ansatz die jährliche Fortbildung auf die speziellen Anforderungen einer Leitstelle zugeschnitten werden.
Die Notwendigkeit und Bandbreite der Fortbildungsthemen erzeugt eine hohe zeitliche Inanspruchnahme verbunden mit einer ständig steigenden Anforderung an die pädagogischen Fähigkeiten des Verantwortlichen. Die damit verbundene Tätigkeit erfordert eine bedarfsgerechte Bereitstellung personeller Ressourcen.

Umfang und Inhalt der jährlichen Fortbildungskontingente

Die nachfolgenden Hauptgruppen beschreiben den Umfang und den Inhalt der jährlichen Fortbildungen für Leitstellendisponentinnen und Leitstellendisponenten sowie operativ taktische Führungskräfte (z.B. Schichtführerinnen und Schichtführer bzw. Lagedienstführerinnen und Lagedienstführer)(2)

Die Fortbildungsinhalte sollten sich in folgende Hauptgruppen untergliedern:

Hauptgruppe Soft Skills: (Simulation, Supervision, Gesprächsführung 32 Std.)

Bei einer Integrierten Leitstelle handelt es sich um eine Einrichtung mit öffentlichem Auftrag, deren vollständige Leistungsfähigkeit rund um die Uhr sicherzustellen ist. Im Gegensatz zu den meisten privatwirtschaftlich orientierten Unternehmen erhebt nicht nur der Bürger, sondern auch der Gesetzgeber einen besonders hohen Anspruch an eine ständige Einsatzbereitschaft und ausnahmslose Leistungsfähigkeit der Leitstellen – zunehmend in Form eines modernen Dienstleistungsunternehmens. Dem „Faktor Mensch“ wird hierbei in den HRO (High Risc Organisation) eine besondere Bedeutung zugemessen. In der Luftfahrtbranche sind inzwischen CRM (Crew Ressource Management)- Trainings sowohl für Cockpit- und Kabinenbesatzungen als auch für Wartungspersonal gesetzlich vorgeschrieben. Diese Trainings umfassen Schwerpunkte wie Kommunikation, Fehlermanagement, Stressmanagement, Teamarbeit, Sicherheitskultur, situative Aufmerksamkeit, Entscheidungsfindung, Konfliktlösung und Automation. Sämtliche Schwerpunkte sind auch für Disponenten in Integrierten Leitstellen schulungsrelevant. Darüber hinaus sind das Coaching der Mitarbeiter in der Notrufabfrage im Rahmen des QM, sowie die Weiterentwicklung der Kenntnisse der Disponenten im Bereich der Gesprächsführung aufzuführen. Diese Kenntnisse können zum Beispiel im Rahmen von Einsatzsimulationstrainings vermittelt werden. Ein vergleichbares Beispiel zur Dispositionstätigkeit in Leitstellen stellt insbesondere die Tätigkeit der Fluglotsen dar. Bei der Deutschen Flugsicherung z.B. ist das Simulationstraining zur Gewinnung von Routine in Stress- und Gefahrensituationen ein fester Bestandteil der jährlichen Fortbildung zum Erhalt der hohen Qualität der Fluglotsen geworden. Mittlerweile stellt das Einsatzsimulationstraining auch einen festen Bestandteil bei vielen Organisationen im Bereich Feuerwehr und Rettungsdienst zur Fortbildung des Einsatzleitdienstes dar, da Abläufe des Führungsvorganges immer wieder ohne „Außenwirkung“ geübt und vertieft werden können.
Ergänzend wird der Einfluss neuer Schulungsmethoden künftig in der Fortbildung und Weiterentwicklung der Mitarbeiter deutlich zunehmen; hierzu zählt neben den Simulationstrainings auch das Crew Ressource Management-Training.
Da dieses Thema sowohl den Bereich Rettungsdienst, als auch Feuerwehr und Katastrophenschutz betrifft, wurde der ermittelte Zeitansatz von insgesamt 32 Stunden pro Mitarbeiter und Jahr berücksichtigt.

Hauptgruppe Technik: (Einsatzleit- und Kommunikationssysteme 24 Std.)

Die softwaretechnische Weiterentwicklung der einzelnen Einsatzleitsysteme erfordert eine kontinuierliche Fortbildung der Leitstellenmitarbeiterinnen und Leitstellenmitarbeiter, um eine optimale Nutzung der Möglichkeiten des Systems zu gewährleisten. Bei den regelmäßigen Updates und Hotfixes der Einsatzleitsoftware müssen die jeweiligen Neuerungen (Release Notes) zeitnah vermittelt werden. Auch „Begleitsysteme“, die nicht der täglichen Routine unterliegen, wie z.B. Behandlungskapazitätsnachweis, die Gefahrstoffsoftware, Rescuetrack etc. sind genauso zu schulen und aufzufrischen, wie die Grundkenntnisse für den Digitalfunk und die IT-Sicherheit. Auch die verschiedenen Rückfallebenen einer Leitstelle inklusive Vertretungskonzepte bis zum „Handbetrieb“ auf Zetteln müssen regelmäßig geschult und geübt werden, um im Notfall bei Ausfall von Ressourcen den Betrieb der Leitstelle aufrecht erhalten zu können. Ein weiterer jährlicher Bestandteil dieser Hauptgruppe ist die vorgeschriebene Unterweisung der Arbeitssicherheit.
Da dieses Thema sowohl den Bereich Rettungsdienst, als auch Feuerwehr und Katastrophenschutz betrifft, wurde der ermittelte Zeitansatz von 24 Stunden pro Mitarbeiter und Jahr berücksichtigt.

Hauptgruppe Hard Skills: (feuerwehrtechnische und medizinische Themen, sowie das dazugehörige Schnittstellenmanagement 64 Std.)

In der Integrierten Leitstelle werden die Weichen für eine erfolgreiche Einsatzabwicklung gestellt. Der Disponent steht etliche Male am Tag vor kurzfristig zu treffenden Entscheidungen, die aber von weitreichender Bedeutung für den Patienten sein können. Er stellt den ersten Kontakt zum Hilfesuchenden dar und hat lange vor den Einsatzkräften Berührung mit dem Einsatzgeschehen. Hier muss im gesamten Anforderungsspektrum eine hochqualifizierte Fortbildung greifen, die den Disponenten in die Lage versetzt, auch in außergewöhnlichen Situationen korrekte Entscheidungen zu treffen. Eine zentrale
Bedeutung kommt hierbei der korrekten Erstellung eines Einsatzstichwortes zu. Dieses Einsatzstichwort entscheidet über die zu entsendenden Einsatzmittel und somit über den gesamten Einsatzverlauf. Hierzu ist es unabdingbar, dass das Fachwissen des Disponenten einem aktuellen Stand entspricht. Diese Schulungsinhalte können sowohl regional als auch überregional geschult werden.
Da die Leitstelle als Akteur im Gesundheitswesen innerhalb des „magischen Vierecks der Gesundheitsökonomie“ handelt, hat die korrekte medizinische Entscheidungsfindung direkte Auswirkungen auf die Effektivität und damit Kosteneffizienz. Dies trifft sowohl in Hinsicht auf die Einsatzzahlen und –mittel, wie auch auf das „Outcome“ der Patienten zu.
Da dieses Thema sowohl den Bereich Rettungsdienst, als auch Feuerwehr und Katastrophenschutz betrifft, wurde der ermittelte Zeitansatz von 64 Stunden pro Mitarbeiter und Jahr berücksichtigt. Eine konkrete Vorgabe erfolgt hierzu bewusst nicht, jedoch kann man davon ausgehen, dass in der Regel für interne und externe Hard Skills (incl. Exkursionen) Stundenansätze einzuplanen sind.

 

Fußnoten

(1) Berufsbildungsgesetz §1 Abs.4
(2) Empfehlungen des ÄLRD-Ausschusses Bayern und der gemeinsamen Arbeitsgruppe der kommunalen Leitstellenbetreiber sowie des BRK in Anlehnung

Quellennachweis: